Tag 3: La Seu de Urgell / Castejon des Sos - Übersicht
264 km: Über Andorra in die weit verzweigten Schotterpass-Regionen
Zugegeben, von Andorra hatten wir uns mehr versprochen. Uns empfing kühles Wetter, gerade recht für den Rolli; ein Einkaufszentrum nach dem anderen und eine nicht gekannte Dichte an hochwertigen Moto-Shops. Vor der Tür stand alles bis zur MV Agusta Brutale. Nachdem wir uns ¾ Stunde durch Stop-und-Go-Verkehr durchgebissen hatten und immer noch nicht im alten Kern von Andorra angelangt waren, fuhren wir in St. Julia de Lloria auf die Piste und ab in die Berge.
Welches Kontrastprogramm: statt Zuckelverkehr zügig über die Schotterpiste bis Os de Civis, die quer laufenden Wasserrinnen reizten zum Springen. Dann weiter oben merkten wir wie kalt es geworden war. Der Rolli reichte nicht mehr. Jetzt musste der Pullover unter die Jacke. Noch während wir uns umzogen hörten wir erst das tiefe Brummen eines niedrig tourenden 2-Takters. Die Wette hätte ich verloren, wenn ich auf eine GasGas oder eine Cota getippt hätte. Statt dessen kam erst eine 2-Takt-KTM dann nach und nach 2 4-Takt-Hondas und eine 4Takt-KTM.
Die britischen Fahrer erzählten von ihren Touren, die sie auf dem Campingplatz unten starteten und immer wieder auf die umliegenden Berge fuhren. Erstmals bei diesen niedrigen Temperaturen.
Kompletter Bericht:
Gerne hätten wir uns ein wenig diesen Sherpas angeschlossen, doch deren Aktionsradius beschränkte sich auf einen Tankinhalt pro Tag , was auf Tagesrouten von rund 100…120km schließen ließ. Mehr als 50km Umgebung von Andorra sind da nicht drin. Dafür geht's halt ohne Gepäck. Wir haten uns bekanntlich anders entschieden und brachen nach kurzem Enduro-Schnack auf in das Terrra inconcognita.
Im Winter hatte ich zu Hause am Schreibtisch vermutet, dass wir die Ost-West-Passage hinter Os de Civis evtl doch mit den Enduros schaffen könnten. Zwar waren die Höhenlinien dicht gedrängt, doch die Karten wiesen durchgängig durchgezogene schwarze Markierungen für die Wege aus: fahrbar. Hätten wir erst diese 30 km weit oben jenseits aller Dörfer hinter uns gebracht, sollte der Anschluss ab Burg nach Tirvia uns wieder auf die beabsichtigte Route führen.
Auch heute war uns das Glück hold und aus den vielen abzweigenden Pfaden, Weglein suchten wir uns dir richtigen Passagen heraus, frei nach dem Motto: wenn auf dem Mittelkamm des Weges kein Gras ist oder das Gras niedrig (abgefahren) bleibt, wird der Weg häufiger benutzt und ist die Hauptroute.
Über 2100m führte uns die Spur durch die Einöde und dann hinunter in das spektakulär an das Massiv gedrängte Bergnest Burg.
Mittagsrast: Fehlanzeige. Da wir weder Wasser, Brot noch Käse oder Salami eingekauft hatten, suchten wir eine Bar. Wir nahmen uns vor, am Morgen besseren Blick auf die Vorräte zu halten und uns nicht ausschließlich den geliebten Fragen nach dem ungewissen Weg des Tages zu widmen. Hinunter zum Cafe con Leche und Bocadillo con Jamon y Queso.
In Tirvia fiel uns ein weiteres Mal auf, wie die Bergrettung hier drin in den Pyrenäen funktioniert. Über Straßen wäre eine erste Hilfe-Versorgung oder ein Ambulanzdienst zum Scheitern verurteilt. Deswegen haben die Catalanen ein vorbildliches Netz an Hubschrauber-Landeplätzen angelegt um in der gebotenen Schnelligkeit reagieren zu können.
Weiter unten dann die Rafting-Schlucht nach Rialb und die Verbindungsetappe nach Llesui. Das einstige Ski-Gebiet unterhalb des National Parks Aigües-Tortes wies ein gutes Hirten Wegenetz auf, das wir ohne Mühe über die Bauwege der ehem. Liftanlagen erreichten. Fehlender Schnee, ausbleibende Touristen, zu teure Wartungskosten und fehlende technische Abnahmen für den sicheren Betrieb ließen zuletzt die Anlagen verfallen und hinterließen in den Pyrenäen einen Schrottplatz am Rande des Naturparks.
Rascher Wetterwechsel, Kälteeinbruch und eine drohende Schlechtwetterfront zwangen uns dort zum Unterstand. Der Ausblick zu den Schneefeldern hinüber war schon grandios.
Sollte es Richtung Westen nicht besseres Wetter geben? Unser Instinkt für die richtige Wegewahl ließ uns nicht im Stich ohne Karte oder Wegweiser fanden wir mit nur einem Irrweg hinunter nach Espui.
Hier ging es voll Motocrossmäßig bergab. Die Strecke schlängelte sich am Bergrücken runter. In gleichmäßigen Abständen hintereinander die 180 grad Kurven. Hier konnte ich meine Enduro-Fähigkeiten ein wenig verfeinern. Endurotraining pur. Fühlen wie der Grip nachlässt und das Hinterteil in Schräglage mit kontrollierten Gastößen um die Kurven schieben bis dann auf der Geraden mit Vollgas das Motorrad sich quasi selbst wieder aufrichtet. Das Gepäck hat mich seltsamerweise kaum gestört.Unten angekommen musste ich dann entsetzt festellen in welchem halsbrecherichem Tempo ich wie in Trance den Berg runtergebrettert war, denn ich musste eine ganze weile auf Ewald warten.
Bergab kam uns ein Trupp MTB-Fahrer entgegen. Wir wussten nur zu gut, welche Wegesstrecke die hinauf auf die Kammwege noch vor sich haben würden. Wie wollten die es unter diesen Bedingungen hinüber nach Llesui schaffen, wenn uns schon so scheißkalt war? Weil wir ja in Castejon des Sos unterhalb der Skihänge bei Cerler übernachten wollten, suchten wir jetzt die West-Passage, die nach Karte hinter dem Stausee des Kraftwerkes bei Capdella beginnen sollte.
Da wir uns bei einsetzendem Nieselregen und kalten Fingern in einem Talkessel fanden und nicht eine einzige Idee hatten, wie wir einen fahrbaren Weg finden sollten, machten wir uns auf die Verbindungsetappe auf der Straße über El Pont de Suert nach Castejon. Da hatten wir uns einen Übernachtungsort ausgesucht: Total auf Ski- und später auf Wandertourismus eingestellt war für uns nichts anderes zu finden als ein Quartier im Souterain eines Neubaus. Was sich als Hostal bezeichnete war in Wirklichkeit eine Mietetage im mehrfamilienhaus mit Fremdenzimmern, die nach Chlor und Reinigungs-Sakrotan rochen bis zum Abwinken. Wie schön wäre es gewesen, hätten wir in der ausgeschilderten Alberge de Llesi mehr Glück gehabt. Die Wanderherberge 10 km entfernt vom Ortskern bereits wieder oben am Wald mit Blick auf die golden in der Abendsonne blinkenden Berge konnte für Fuß-, Rad oder wie wir Enduro-Wanderer mit bereitliegendem Schlüssel da oben in den Bergen benutzt werden. Die Anmeldung sollte per Handy erfolgen, was uns aber nicht gelang. Hier rächte sich, dass wir zwar ein paar Freundlichkeitsfloskeln für Unterkunft und Restaurant parat hatten, doch zum Aushandeln von Mietbedingungen für Wanderhütten in den Bergen reichte es nicht. So wunderte es auch nicht, dass der Tag im Regen endete.